SOS-Kinderdorf: Heilige mit zwei Gesichtern?

Wir kennen SOS-Kinderdorf als sozial engagierte, gemeinnützige Institution, die gerade heute - in einer Welt voller Krisenherde - einen wichtigen Beitrag für das Wohlergehen von Kindern allerorts leistet. Doch die Bewohner der Hans-Mielich-Str. 1a in Untergiesing bekommen seit geraumer Zeit leider eine ganz andere Seite des Vereins zu spüren.


Zur Ausgangssituation: das 1897 erbaute Anwesen war seit einigen Jahrzehnten im Besitz einer Dame vom alten Schlag Münchner Vermieter. Keine hohen Standards, die Mieter konnten in Eigenregie die Wohnungen sanieren - dafür gab's faire Mieten. Bei 5,60 Euro pro qm war dies für die Mieter ein fairer Deal, mit dem alle mehr als zufrieden waren. Doch vor einiger Zeit verstarb die Eigentümerin. Durch ihr Testament wollte sie auch über ihren Tod hinaus etwas Gutes tun und vererbte das Haus an SOS-Kinderdorf. Eine noble Geste - bedenkt man, dass der Verein, wie anfangs erwähnt, allgemeinhin für seine Wohltätigkeit bekannt ist. Hätte die Eigentümerin allerdings gewusst, was der Verein dann aus dem potentiellen "Schmuckstück zum Verlieben" machen würde, hätte sie es sich womöglich noch einmal genauer überlegt.

Was folgte: SOS-Kinderdorf engagierte den für Luxussanierungen bekannten Immobilienverwalter Dr. Grosdidier Immobilien. Im Auftrag von SOS-Kinderdorf wurde der Plan geschmiedet, die Wohnungen "auf den aktuellen Stand zu bringen", so Carolin Mautz, Sprecherin des Vereins. Dies scheint allerdings aus unserer Sicht in der Planungsphase schnell eskaliert und über das Ziel hinausgeschossen zu sein, denn was dabei herauskam, war dies: eine "top renovierte 4-Zimmer Wohnung", "hochwertige neue Parkett-Dielenböden" und eine "exklusive Badausstattung" - das "Schmuckstück zum Verlieben" war plötzlich real. Jedoch zum stolzen Preis von 2.630 Euro Warmmiete für 131 qm - eine nicht unerhebliche Miete von knapp 20 Euro pro qm.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Immerhin liegt das Haus in einem Erhaltungssatzungs-Gebiet. Diese Frage stellte ein Mieter im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching. Doch da das Haus vererbt und nicht verkauft wurde, konnte die Stadt ihr mit Erhaltungssatzungen verbundenes Vorkaufsrecht nicht wahrnehmen und bekam von den doritgen Vorgängen erst durch die Mieter Wind. Denn SOS-Kinderdorf ließ bereits mit bestimmten Baumaßnahmen beginnen, die - auch wegen der Erhaltungssatzung - mit der Stadt abgestimmt hätten werden müssen. Die Folge: ein Bußgeldverfahren wurde eingeleitet. Aus unserer Sicht bleibt fraglich, ob dieses Risiko seitens SOS-Kinderdorf bewusst eingegangen wurde, um Tatsachen zu schaffen.

Auszug des Schreibens an die Mieter
Auszug des Schreibens an die Mieter

Doch als wäre das Versagen aller eigentlich zuständigen Instrumente nicht schon genug für die besorgten Mieter, die um ihren bezahlbaren Wohnraum und die letzte Metzgerei im Viertel bangen, kamen die weiteren Pläne des Immobilienverwalters ins Rollen: "Der Anbau eines Lifts sowie die Anbringung von Balkonen am ganzen Gebäude ist bereits in Planung und wird in den kommenden Monaten umgesetzt, genauso wie die aufwendige Neugestaltung der Außenfassade". Mieterhöhungen sind somit vorprogrammiert. Während der Verein über seine Sprecherin verlauten lässt, dass es keine Kündigungen geben werde, was rechtlich ohnehin nicht zulässig wäre, bedienten sich deren Anwälte übler Taktiken, um die Mieter unter Druck zu setzen. In einem kürzlichen Schreiben wurden die Mieter in Sippenhaft genommen und dazu gedrängt, kollektiv den Umbauten, die u.a. das Zumauern von Fenstern und Verändern von Grundrissen beinhalten, zuzustimmen. Nur dann könne man eine Einigung hinsichtlich der Mietsteigerungen erreichen. Auch hier muss man wissen, dass das Zumauern von Fenstern nicht ohne Weiteres zulässig ist. Das Bedeutet im Umkehrschluss, dass man den Mietern versucht eine Zusage für Baumaßnahmen abzugewinnen, die so nicht durchführbar wären. Gelockt bzw. unter Druck gesetzt werden die Mieter mit dem Angebot, dass man dann keine Modernisierungsmieterhöhung verlangen würde - aber auch nur, wenn ALLE Mieter zustimmen. Das ist aus unserer sicht erpresserisch.

Unser Vorsitzender Maximilian Heisler betreut die Mieter vor Ort
Unser Vorsitzender Maximilian Heisler betreut die Mieter vor Ort

Doch nicht nur das Gebahren der zwischengeschaltenen Anwälte und Immobilienverwalter, sondern auch das Verhalten des Vereins selbst, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack: Einladungen zu Sitzungen des Bezirksausschusses um die festgefahrene und unklare Situation zu klären, wurden nicht wahrgenommen. Auf Anfragen wird verhältnismäßig häufig darauf hingewiesen, dass man "nur im gesetzlichen Rahmen" agieren werde. Für eine eigentlich wohltätige Institution ein moralisches Armutszeugnis. Auch die Stadt reagierte auf die Luxussanierung im Erhaltungssatzungs-Gebiet verhältnismäßig unaufgeregt. So merkt Sozialreferentin Dorothee Schiwy in einem Antwortschreiben an den Bezirksausschuss an:

"Die durchgeführten Maßnahmen [...] waren [...] nach der Erhaltungssatzung genehmigungsfähig, da sie nicht über dem allgemein üblichen Standard von Wohnungen in der Landeshauptstadt München liegen."

Wenn die Stadt inzwischen 20 Euro pro qm als "allgemein üblichen Standard" ansieht, dann läuten bei uns alle Alarmglocken. Deshalb werden wir weiterhin am Ball bleiben und jede Aktion vonseiten SOS-Kinderdorf und Dr. Grosdidier Immobilien, als auch die Reaktionen der Stadt in diesem Fall aufmerksam verfolgen und darüber berichten. Einen kleinen Erfolg konnten wir hier schon erzielen: nach unseren Informationen hat die Kanzlei Bonn & Friedl, die im Auftrag von SOS Kinderdorf agierte, ihr Mandat verloren.